auch ein interessanter Bericht:
Die Insolvenz wäre ehrlicher
von Dieter Fockenbrock
Machen wir uns nichts vor. Die Bundesregierung wird vergeblich auf ein Konzept für den Autohersteller Opel warten. Was das Europamanagement des maroden US-Konzerns General Motors vorgelegt hat, ist kein Konzept. Es ist eine Bankrotterklärung. Ein bisschen, aber nicht die ganze Freiheit von der Mutter in den USA. Ein bisschen Sanierung, aber nicht zu hart. Auf jeden Fall aber 3,3 Milliarden Euro frisches Kapital, und das am besten vom Staat.
Was eine Bankrotterklärung ist, das sollte man auch so behandeln. Opel und alle anderen europäischen Teile des GM-Konzerns sollten in die Insolvenz gehen.
Das traut sich natürlich niemand zu sagen. Im Gegenteil. Länderminister, die es am Ende doch gar nicht bezahlen müssten, drängen den Bund zu einer staatlichen Opel AG. Bundespolitiker halten sich aus wahltaktischen Gründen alle Optionen offen. Das Management des Unternehmens stellt freche Forderungen, assistiert von starken Gewerkschaftern im Hause mit dem Blitz. Verantwortung zu tragen hieße, den 25 000 Opelanern in Deutschland und Zehntausenden GM-Beschäftigten in Belgien, Großbritannien und Spanien die Wahrheit zu sagen: Wenn Detroit uns fallenlässt, brauchen wir einen neuen Eigentümer, nicht den Staat.
Die größte Lüge im Poker um Opel lautet: "Hier geht es um den industriellen Kern des Landes." Der Staat habe daher keine Wahl, als selbst einzugreifen - bis hin zur Verstaatlichung. Richtig daran ist zwar, dass in diesen Zeiten ordnungspolitische Grundsätze weltfremd sind - hätten die Regierungen keinen Schutzschirm über Banken aufgespannt, die Katastrophe wäre perfekt. Hinter der Bankenrettung steht jedoch eine Idee: die Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs der Wirtschaft. Welches Konzept stünde hinter einem Staatseinstieg bei Opel? Will der Staat wirklich die Überlebensfähigkeit eines Anbieters garantieren in einer Branche, die weltweit unter massiven Überkapazitäten ächzt?
Der Markt muss bereinigt werden. Und wenn Opel oder der ganze GM-Konzern die prominenten Opfer sind, dann ist das kein Systemcrash. Im Gegenteil: Es hilft anderen Herstellern zu überleben. Wenn keine Opel-Fabrik stillgelegt wird, dann eben welche von VW, Ford oder Renault. Die Arbeitsplätze gehen so oder so verloren.
Was noch schwerer wiegt: Steigt der Staat bei Opel ein, muss er es bald schon beim Zulieferer Schaeffler tun. Dort geht es sogar um noch mehr Arbeitsplätze. Und warum hilft er nicht dem Chiphersteller Qimonda und anderen angeschlagenen Industriefirmen? Bei Qimonda hat sich der Staat verweigert. Warum? Hier gäbe es sogar noch eher eine Zukunftsvision zu verkaufen als in der überbesetzten Autobranche.
Opel in die Insolvenz zu schicken ist kein Horror, sondern bietet eine ehrliche Chance, statt unerfüllbare Hoffnungen zu nähren. Denn auch hierzulande gibt es mit der Planinsolvenz ein Instrument, um Unternehmen weiterzuführen, nachhaltig zu sanieren und dabei vor den Gläubigern zu schützen. Selbst Detroit hätte keinen Zugriff mehr, was manche Gemüter beruhigen dürfte. Eine Insolvenz wird zeigen, welchen Wert die Marke Opel tatsächlich noch hat. Vorausgesetzt, es findet sich ein Investor, der an die Zukunft glaubt, statt den Retter zu spielen.